Nachdem der CHL-Vorstand die schwierige Entscheidung traf die Saison 2020/21 der Champions Hockey League abzusagen, haben wir uns mit dem CHL-CEO zusammengesetzt, um nähere Informationen zu diesem unausweichlichen Schritt zu erhalten.
Martin, die CHL hat
verkündet, dass die Saison 2020/21 nicht wie geplant stattfinden
kann. Es müssen turbulente Zeiten für Sie und Ihr Team gewesen
sein?
In der Tat waren die letzten Wochen und Monate
eine Achterbahnfahrt. Wir haben, zusammen mit unserem Medien- und
Marketing-Partner Infront und den teilnehmenden Klubs, hart daran
gearbeitet trotz der schwierigen Umstände auch in dieser Saison
einen europaweiten Klubwettbewerb durchzuführen. Höhen und Tiefen
haben sich dabei immer recht schnell abgewechselt und Vorhersagen
waren sehr schwer zu treffen.
Warum wurde die Saison
abgesagt?
Die
Champions Hockey League ist ein europaweiter Wettbewerb mit 32
Mannschaften aus 12 Ländern. Der internationale Charakter der CHL
verstärkt die Schwierigkeiten, mit denen sich die Eishockeyligen
ohnehin bereits auseinandersetzen müssen. Reisebeschränkungen
zwischen teilnehmenden Ländern waren ein großes Problem und selbst
wenn einige davon möglicherweise gelöst hätten werden können, z.B.
durch Sondergenehmigungen durch die Behörden, so blieben eine große
Unsicherheit und Risiken – besonders da sich die epidemiologische
Situation in Europa momentan von Tag zu Tag
verschlechtert.
Wer traf die Entscheidung
die Saison abzusagen?
Der CHL-Vorstand traf die finale Entscheidung
während einer außerordentlichen Videokonferenz am Dienstag.
Selbstverständlich fanden im Vorhinein zusammen mit allen
Beteiligten viele Diskussionen und Beurteilungen der Lage statt,
wobei alle verfügbaren Fakten und Prognosen berücksichtigt
wurden.
Warum wurde die
Entscheidung jetzt getroffen (nicht später/früher)?
Es
war klar, dass die CHL als internationaler Wettbewerb in
Schwierigkeiten geraten würde, sollte sich die COVID-19-Situation
während des Sommers nicht schnell genug bessern. Aus diesem Grund
trafen wir bereits im April die vorausschauende Entscheidung den
Saisonstart um einen Monat zu verschieben, die Gruppenphase zu
überspringen und die gesamte Saison im Knock-Out-Modus zu spielen.
Anfang September haben wir festgestellt, dass wir etwas mehr Zeit
benötigen würden, um Probleme im Hinblick auf Reisebeschränkungen
zu lösen und entschieden den Saisonstart um einen weiteren Monat zu
verschieben. Diese Entscheidung half ebenso den teilnehmenden
Klubs, da diese nicht sofort die Reisen für ihre Auswärtsspiele
buchen mussten. Nun, einige Wochen später, ist recht offensichtlich
geworden, dass sich die epidemiologische Situation auf eine Weise
entwickelt hat, dass die Durchführung der CHL-Saison 2020/21 leider
zu viele Risiken birgt.
Wie viele Paarungen wurden
von Reisebeschränkungen beeinträchtigt?
Die Anzahl der
beeinträchtigten Paarungen wechselte recht häufig, da europäische
Länder ihre Listen völlig selbstständig aktualisieren und dafür
unterschiedliche Systeme anwenden. Zeitweise waren 12 unserer 16
Paarungen des Sechzehntelfinals von Reisebeschränkungen zwischen
den Ländern betroffen – in manchen Fällen handelte es sich um
Ausreisebeschränkungen, in anderen Fällen gab es Einschränkungen
bei der Rückkehr und manchmal sogar beides. Dennoch wäre es uns
vermutlich gelungen viele dieser Probleme zu lösen, da
Sportmannschaften in einigen Ländern von Regelungen für
Geschäftsreisen profitieren können. Es ist jedoch schwierig zu
diesem Punkt eine schriftliche Bestätigung zu erhalten, was
bedeutet, dass die Reisesituation Ungewissheit und Risiken birgt.
Natürlich haben nicht nur mögliche Aus- und
Rückreise-Beschränkungen ein Problem dargestellt, sondern auch
Riskiken betreffend der Gesundheit unserer Teams während der
Reisen.
Warum halfen Schutzkonzepte
nicht dabei den Wettbewerb zu ermöglichen?
Die CHL
verfügt ebenso wie unsere teilnehmenden nationalen Ligen und unsere
teilnehmenden Klubs über ein ausgereiftes Schutzkonzept. Diese
Konzepte können jedoch nur das Risiko verringern, nicht jedoch die
Ausbreitung von COVID-19 verhindern. Wie bereits erwähnt, verstärkt
die CHL als internationaler Wettbewerb die Probleme, denen die
Eishockeyligen und Klubs bereits ausgesetzt sind. Besonders
internationale Reisen bringen Risiken mit sich.
Warum können Mannschaften
anderer Sportarten reisen, jedoch nicht Eishockey (z.B. Fußball,
Handball, Basketball)?
Zunächst einmal ist es wichtig
darauf hinzuweisen, dass andere Sportarten, insbesondere Fußball,
in einer wirtschaftlichen Lage sind, die es ihnen meist erlaubt,
dass ihre Teams Flugzeuge für internationale Spiele chartern und
somit abgeschottet reisen können. Leider ist Eishockey noch nicht
in dieser Position, zumindest nicht jeder Klub aus jedem Land.
Darüber hinaus sollte man darauf hinweisen, dass in internationalen
Wettbewerben anderer Sportarten bereits Spiele aufgrund positiver
COVID-19-Fälle und der damit verbundenen Quarantäne für die
entsprechenden Mannschaften abgesagt werden mussten. Es ist
schwierig mit solchen Situationen umzugehen, sowohl im Hinblick auf
den Sport als auch die eigene Glaubwürdigkeit. Dies hat für unsere
Entscheidung natürlich ebenfalls eine Rolle gespielt.
Warum ist die CHL nicht zu
einem Konzept der “Blase” gewechselt?
Eine “Blase” wie
sie von der NHL für ihre Playoffs eingerichtet wurde, ist ein
großartiges Konzept um den Teams eine sichere Umgebung anzubieten.
Für unseren Wettbewerb ist dies jedoch leider keine Option, da
unsere Teams parallel zur CHL in ihren Heimatligen spielen und
unsere Spieltage fest im internationalen Kalender verankert sind.
Nationale Ligen, Nationalmannschaften und die CHL verfügen über
klare Vereinbarungen bezüglich der Spieltage und es besteht keine
Möglichkeit, dass die 32 Mannschaften für eine gewisse Zeit in
einer Blase ausschließlich in der CHL antreten. Abgesehen davon
sind die Kosten für ein solches Konzept einer Blase enorm.
Wurde ein Wettbewerb mit
einem reduzierten Teilnehmerfeld in Erwägung gezogen?
Ja, wir hatten einen Alternativplan nur mit den acht besten Teams
zu spielen. Da jedoch auch ein Wettbewerb der acht besten
Mannschaften nicht ohne Reisen ausgetragen werden kann, sind wir zu
dem Fazit gekommen, dass dies ebenfalls nicht praktikabel ist.
Zudem würde eine reduzierte CHL aus sportlicher Perspektive nicht
ihrem Ruf gerecht werden und eine ökonomische Herausforderung
darstellen.
Was ist mit den Fans, die sich bereits ein Ticket für ein CHL-Spiel gekauft haben?Da die Klubs die CHL-Spiele organisieren, müssen Fans das jeweilige Heim-Team kontaktieren, um weitere Informationen zu erhalten.
Welche Konsequenzen bringt
die Absage mit sich?
Zunächst einmal wird die
CHL-Saison 2020/21 nicht gespielt und somit auch kein CHL-Sieger
gekrönt. Da wir einen langfristigen Vertrag mit unseren Marketing-
und Medienpartner bis zur Saison 2027/28 geschlossen haben und über
eine gesunde Finanzstruktur verfügen, erwarten wir diese Situation
mit lediglich kleineren Blessuren zu überstehen. Jedoch müssen wir
nun selbstverständlich zunächst einmal die Situation intern im
Einzelnen analysieren und herausfinden, wie wir diese schwierige
Zeit meistern können. Ich drücke die Daumen, dass Eishockey, die
Wirtschaft und die Welt im Frühling 2021 wieder zum normalen Leben
zurückkehren!
Wer trägt die Kosten für
die Absage?
Natürlich werden die mit uns
abgeschlossenen Verträge für die Saison 2020/21 nichtig, da die CHL
das Produkt nicht wie vereinbart liefert. Dies ist ein schwerer
Schlag, nicht nur für unseren operativen Betrieb, sondern auch aus
dem Blickwinkel, dass wir erstmals über 3 Millionen Euro an
Preisgeldern an die Klubs hätten auszahlen können, wäre die
COVID-19-Pandemie nicht aufgetreten. Die CHL ist eine
Aktiengesellschaft (AG), welche in Zug nach Schweizer Recht
registriert ist und somit ihren Aktionären gehört. Wie bereits
erwähnt, befinden wir uns in einer guten Situation und verfügen
über eine gesunde Finanzstruktur. Dies wird uns helfen diese
schwierige Zeit zu überstehen.
Erhält die CHL
Unterstützung von der Regierung?
Nein. Da die CHL ein
europaweiter Wettbewerb ist, ist die Firma nicht berechtigt Mittel
von der Schweizer Regierung zu erhalten. Die Kurzarbeit für die
Mitarbeiter wurde jedoch genehmigt.
Wie geht die CHL als
Organisation mit der Situation um?
Ich möchte die
Gelegenheit nutzen, um dem Team meinen speziellen Dank
auszudrücken. Das CHL-Büro macht einen herausragenden Job und hat
unermüdlichen Einsatz während dieser ungewissen Zeit gezeigt. Das
Team hat verschiedene alternative Spielformate entworfen und
durchgespielt, zahlreiche Experten und Behördenmitarbeiter
kontaktiert, ein Hygienekonzept zum Schutz gegen COVID-19
entworfen, unsere Vorschriften wiederholt aktualisiert, x-fach das
Budget angepasst und neuberechnet, Projekte wieder und wieder
geändert und/oder verworfen etc.
Und all dies bei gleichzeitigem Wechsel ins Home Office von einem Tag auf den anderen, ohne jede vorherige Erfahrung. Dies war eine völlig neue Situation für uns, einschließlich des CHL-Vorstandes. Wir hatten noch nie so viele Treffen der Ausschüsse und des Vorstandes wie in den letzten Monaten und alle haben online stattgefunden. Der digitale Wandel hat gut funktioniert und wir haben sogar unsere allererste virtuelle Generalversammlung sowie virtuelle Klub-Workshops abgehalten.
Leider musste unser Team während diesen herausfordernden Zeiten eine zusätzliche Belastung bewältigen, da unser leitender Berater für den Sport Bo Lennartsson Ende Juli nach einem kurzen, schweren Kampf gegen den Krebs starb. Er war ein integraler Bestandteil der CHL seit der Einführung des Wettbewerbs und wird uns sehr fehlen.
Wird es zukünftig wieder
einen CHL-Wettbewerb geben?
Wir haben einen
langfristigen Vertrag mit unserem Medien- und Marketing-Partner
Infront bis 2027/28. Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich davon
überzeugt, dass wir zur Saison 2021/22 besser als je zuvor
zurückkehren. Natürlich kann niemand sagen, wie es mit COVID-19
weitergeht. Falls sich die Pandemie in einem Jahr weiterhin auf das
Eishockey und die Weltwirtschaft auswirkt, wird nicht nur die CHL
vor ernsthaften Problemen stehen.
Welche Mannschaften
qualifizieren sich für die Saison 2021/22?
Wir hoffen,
dass die nationalen Ligen die Saison 2020/21 spielen und wie
geplant ihren Meister krönen können. Falls dies der Fall ist, sind
die Qualifikationskriterien für die CHL glasklar. Bisher haben zehn
unserer teilnehmenden Ligen den Spielbetrieb auf nationaler Ebene
aufgenommen. Ich drücke die Daumen, dass alles gut funktioniert.
Leider gibt es bei zwei nationale Ligen Probleme. Sollten diese
nicht in der Lage sein ihre qualifizierten Teams wie gewohnt zu
ermitteln, werden wir eine Lösung von Fall zu Fall finden.
Ein paar abschließende
Worte?
Ich möchte mich beim Management von Infront
sowie deren CHL-Team für die Unterstützung während dieser
herausfordernden und ungewissen Zeit bedanken. Sie haben großes
Engagement gezeigt, große Anstrengungen beim Umplanen unternommen
und waren geschätzte Sparringspartner bei den Diskussionen, die wir
hatten.
Und, natürlich, ein großes Dankeschön geht an unsere teilnehmenden Klubs, Aktionäre, Partner und alle anderen Beteiligten für die Unterstützung, die wir bei den Vorbereitungen für diese außergewöhnliche Saison 2020/21 erhalten haben. Die Pandemie befindet sich außerhalb unserer Kontrolle. Diese Tatsache müssen wir leider akzeptieren.
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