Im zweiten Teil des Interviews spricht Michael Raffl über seine Zeit in der NHL. Der 36-Jährige erzählt über abgespeicherte Gefühle, wie er seinen eigenen Weg gefunden hat sowie die Eishockey-Unterschiede zwischen Europa und Nordamerika.
Du hast über 600 NHL-Spiele
für Philadelphia, Washington und Dallas absolviert: Gibt es
prägende Momente, die dir besonders in Erinnerung geblieben
sind?
Michael Raffl: „Das ist schwierig auf einige Sachen zu reduzieren –
im Grunde war es das Gesamtpaket. Jede Erfahrung zusammen ergibt
eine unglaubliche Geschichte. Wenn die Karriere irgendwann
abgeschlossen ist, kann man all das in Ruhe Revue passieren
lassen.“
Was hast du dir für das
Nordamerika-Abenteuer vorgenommen?
Michael Raffl: „Ich bin mit einer Einstellung hingegangen, dass ich
das jetzt versuchen will und mein Bestes gebe. Wenn es nicht
klappt, dann klappt es eben nicht und im schlimmsten Fall kommst du
wieder heim. Dann ist dir auch niemand böse.“
Wie bist du mit dem
Leistungsdruck auf höchstem Niveau umgegangen?
Michael Raffl: „Ich habe es nicht als Druck verspürt. Du willst
einfach besser werden – und wenn du täglich mit den besten Spielern
der Welt trainierst, wirst du automatisch besser. Man entwickelt
sich als Mensch und Spieler ständig weiter, weil man jeden Tag
etwas Neues lernt.“
Welches Tor oder Spiel
bleibt dir am meisten in Erinnerung?
Michael Raffl: „Im ersten Moment, wenn du den Call-Up bekommst, das
erste Mal in eine NHL-Halle gehst und weißt, dass du jetzt spielst
– an dieses Gefühl kann ich mich erinnern. Überhaupt erinnere ich
mich eher an Gefühle: das Gefühl, das erste Tor zu schießen, oder
das Gefühl, wenn man ein wichtiges Playoff-Spiel gewinnt.“
Wie hat sich deine Rolle im
Laufe der Jahre verändert?
Michael Raffl: „Ich war in meiner ganzen Jugend Mittelstürmer, aber
Johan Strömwall hat mich dann beim VSV auf den Flügel gestellt und
mir die Chance gegeben, entweder mit zwei Imports oder in den
ersten beiden Sturmreihen zu spielen. Das ist damals ganz gut
aufgegangen: ich habe gepunktet und auch einige Tore erzielt. In
Schweden hatte ich eine ähnliche Rolle. Als der Call-Up in Amerika
kam, habe ich schon geahnt, dass sie noch nach anderen Spielern
suchten, weil die Plätze nicht vollständig besetzt waren. Das waren
dritte- oder vierte-Linien-Spieler, die die Drecksarbeit übernehmen
müssen. Diese Rolle habe ich mir angeeignet und mit Stolz
ausgefüllt. So bin ich reingerutscht, und später gab es auch
Situationen, in denen ich unter den Top-6 spielen konnte. Irgendwie
habe ich einen Weg gefunden, beide Rollen zu erfüllen. Diese
Vielseitigkeit wurde sehr geschätzt.“
Jede mögliche Chance nutzen
– ist das eine Herangehensweise, die du jungen Spielern mitgeben
würdest?
Michael Raffl: „Auf jeden Fall. Es gibt viele verschiedene Wege.
Wenn du gut genug bist, viele Tore schießt und das auf NHL-Niveau
halten kannst, dann rate ich dir das zu machen – weil da verdient
man am meisten Geld und da hat man am meisten Spaß. Aber keine
Mannschaft braucht nur Scorer. Es ist wichtig, dass das Team
erfolgreich ist und da gibt es viele verschiedene Rollen zu
erfüllen.“
Welche Unterschiede hast du
zwischen Europa und der NHL erlebt?
Michael Raffl: „Die Konkurrenz in Nordamerika ist viel größer. Du
darfst dir kaum drei schwache Trainings erlauben, sonst übernimmt
jemand deinen Platz. Es ist ein anderer Druck als in Europa, wo du
hinkommst und weißt, die Mannschaft steht zum großen Teil. Das war
ein Riesenunterschied. In Amerika ist es immer ein Business, die
Trades und vieles weitere. Da bist du am Markt und wenn sie dich
tauschen wollen, dann tauschen sie dich. Da hast du nichts
mitzureden, musst nur deine Koffer packen.“
Und die Fans?
Michael Raffl: „Das ist in Europa schöner. Das Engagement in der
Schweiz war ein Erlebnis, solche Momente vergisst man nicht. Wenn
du nach einer gewonnenen Playoff-Serie von der Auswärtsfahrt
heimkommst und dich tausende Fans mit bengalischem Feuer empfangen,
das war schon ein großer Unterschied. In Nordamerika ist es im
Grunddurchgang eher Popcorn essen und Eishockey schauen, im Playoff
ist es dann auch anders.“
Wurdest du in Nordamerika
häufig von Fans angesprochen?
Michael Raffl: „Ich war bei den Flyers nicht die Person, die
ständig im Mittelpunkt stand. Aber man verbringt sehr viel Zeit mit
seinen Mitspielern, und wenn man mit einem der Stars unterwegs war,
wurde man schnell erkannt.“
Hier geht es zu Teil 1 des ausgedehnten Interviews mit Michael Raffl.
ice.hockey , Bild: https://www.facebook.com/DallasStars/
