Wer Markus Kerschbaumer, Goalie-Trainer der Red Bulls, über den Weg läuft und ihn in ein Gespräch verwickelt, der sollte viel Zeit mitbringen. Sehr viel Zeit. Denn wenn der sympathische Villacher erst einmal anfängt, über Torhüter und deren Ausbildung zu sprechen, dann können aus zehn Minuten schnell zwei Stunden werden.
„Gregor (Grutschnig, Akademie Athletik-Trainer) habe ich damals in Villach kennengelernt. Er kam zu uns und war auf der Suche nach einem Praktikum für sein Sportwissenschaftsstudium. Als ‚Beer League‘ Goalie hat er auch in seiner Arbeit den Fokus zusätzlich auf die Torhüter gerichtet. Wir verstanden uns einfach auf Anhieb“, erzählt ‚Kerschi‘, „Ich konnte von ihm lernen, er von mir und wir verbrachten Stunden, gar Nächte zusammen und philosophierten über die Ausbildung.“
Gemeinsam entwickelten die beiden auch den Ansatz, der in Salzburg bei der Torhüterausbildung verfolgt wird: „Als erstes brauchen wir den richtigen Charakter. Zweitens muss er ein Athlet sein, also körperlich in guter Verfassung und Trainingsfleiß mitbringen. Und im dritten Punkt machen wir einen guten Torhüter aus ihm“, sagt der 47-Jährige, „Und die Burschen sollen richtige ‚Goalie-Nerds‘ sein, sich alles reinziehen und aufsagen. Torhüter ist man mit Hingabe, so kann man erfolgreich sein.“
WIE KOMMEN DIE JUNGS AN DIE AKADEMIE?
Die Planung fängt beim Scouting Prozess für junge Torhüter an. Helmut de Raaf als Director of Development Academy hat das Scouting aller Spieler auf seiner Agenda. In Absprache mit Kerschbaumer und seinem Wissensstand über die österreichischen Keeper werden Jungs für die Try-Outs ausgewählt und eingeladen. Später kommt der gesamte Goalie-Staff mit den beiden Torhütertrainern Magnus Helin und Lukas Schluderbacher sowie Gregor Grutschnig zusammen, um die nächsten Burschen für die Akademie auszuwählen. Dabei werden die Jungs nicht nur sportlich geprüft, denn für die wenigen Plätze muss alles passen: „Wir stellen sie auch gerne vor kleine Challenges, um ihren Charakter vorab noch besser kennenzulernen.“
Bei einem Wechsel passiert für die Jungs vieles. Das erste Mal von zu Hause weg sein, neue Schule, neue Teamkollegen, neues Umfeld, neue Trainer. „Da muss man bei aller Liebe zum Sport den ganzen Menschen betrachten“, sagt Kerschbaumer. Auch der pädagogische Aspekt und die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten (Internat, Schule, Lehrer) haben wichtigen Anteil an der Entwicklung und Leistung der jungen Torhüter. „Die Jungs müssen ihren Körper kennenlernen, verändern sich durch die Pubertät und da hat man nicht jeden Tag ein perfektes Spiel oder gar ein perfektes Training.“ Für die Trainer zählt jedoch das große Ganze, sprich die gesamte Vorbereitung und das Arbeiten an den ‚Basics‘, für die vor jedem Training rund 15 Minuten Extrazeit eingerechnet sind.
Zu jenen Basics gehören die Skating-Skills und Abläufe, um in Position zu kommen. Dabei wird gleich mit einem Vorurteil aufgeräumt, nämlich dass im Nachwuchs ein Spieler ins Tor gestellt wird, wenn er nicht gut eisläuft. „Das ist jedoch ein Irrglaube und gar ein falscher Ansatz“, kontert der Torhütertrainer, „als Goalie läufst du zwar nicht am Spielfeld auf und ab, jedoch muss man sich auf kleinem Raum unglaublich viel bewegen und ist permanent in Bewegung. Das Eislaufen ist das Wichtigste für einen Torhüter. Von hier weg startet jede Bewegung, in Kombination mit der Grundstellung. Wenn das nicht passt, hat man schon keine Chance mehr.“ Wer das Eislaufen im Tor beherrscht, der hat einen Vorsprung gegenüber den Feldspielern. „Viel Zeit bleibt ohnehin nicht, sich auf einen Schuss vorzubereiten. Eine Sekunde mag wenig klingen, doch rechnen wir bei den Goalies in Zehntelsekunden, denn der Puck ist schnell und kann hinter einem einschlagen, wenn man nicht gut positioniert ist. Jeder Fehler wird bei uns bestraft.“
Daher hat man im System Profis/ Red Bull Hockey Juniors in dieser Saison insgesamt fünf Torhüter an der Hand. „Klar, Atte und Kicks sind unsere Profis, aber einer der drei Jungen ist im Rotationsprinzip meist für zwei Wochen bei den Profis als Dritter mit von der Partie“. Dadurch kann sich der junge Goalie an die härteren Schüsse, das Tempo, die Trainingsintensität usw. gewöhnen und viel aus dem Profibereich mitnehmen.
„Ein Spieler hat nach einer Übung ja sofort wieder Pause, bis er zum nächsten Mal fährt. Aber als Goalie musst du Scheibe um Scheibe halten, meist bei einer Übung schon mehr als im gesamten Spiel. Daher ist uns wichtig, dass die Torhüter sich auf jeden Schuss bestmöglich vorbereiten können, sodass sie jeden Schuss zu 100 % mitnehmen können. Bei Übermüdung, gerade im Bereich der Konzentration, können die Goalies im Dreierrad rotieren und die Leistung der Jungs bleibt im Training konstant hoch. Das merken dann auch die Spieler.“ Zu betonen ist dabei auch die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, von den Trainern über die Physiotherapeuten bis zu den Athletiktrainern, so dass immer alle über den geplanten Trainingsumfang und den aktuellen Zustand der Athleten im Bilde sind.
„DAS HAUS BAUT MAN VON UNTEN AUF“
Kerschbaumer denkt die Torhüterausbildung ganzheitlich, hat auch die Torhüter-Youngster im Club immer im Blick. Mit Gregor Kohlhauser, selbst ehemaliger Nachwuchstorhüter in Salzburg, hat man einen Torhütertrainer für die Jüngsten in der Organisation. „Ich bin immer wieder mal dabei, wenn es mein Job mit den Profis zulässt. Da gehe ich dann meistens mit Daniel Welser und seiner U15 mit aufs Eis und arbeite hier mit den Jungs“, sagt der Goalie-Chef. „Das macht unheimlich Spaß und ist enorm wichtig, denn ein Haus baut man auch von unten auf, also muss das Fundament stimmen.“
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