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Abroad Blog-Florian Iberer (9): Von imaginären Zimmerkollegen, einsturzgefährdeten Hallen und weiteren Ex-Caps

Mit 35 Jahren zählt er zu den Routiniers im Österreichischen Eishockey und hat einiges erlebt. Vor allem sein Auslandsabenteuer in der Saison 2016/17 wird Florian Iberer immer in Erinnerung bleiben und daran lässt er in seinem „Abroad-Blog“ auf Hockey-News alle Fans exklusiv teilhaben.

Über 500 EBEL-Spiele, ein Meistertitel, etliche Nationalteameinsätze mit dem Höhepunkt der olympischen Spiele in Sochi – nur ein Ausschnitt der langen und erfolgreichen Karriere des Grazers, der nun wieder in seiner Heimat am Eis steht.

Nach Stationen in Linz, Klagenfurt, Wien sowie Auslandsabenteuern in Nordamerika, Deutschland und Schweden versuchte sich der einer Eishockeyfamilie entstammende Defender mit 33 Jahren nochmal in Übersee und heuerte bei den Reading Royals an. Und es sollte ein unvergessliches Abenteuer werden, von dem er in seinem „Abroad Blog“ berichtet:

Es war Samstag 8 Uhr morgens und der Teambus ließ uns wie üblich direkt vor den Apartments aussteigen nach unserem Auswärtswochenende im sommerlichen Greenville. Sofort wurde einem bei den eisigen winterlichen Bedingungen klar, dass man sich wieder 1.000 Straßenkilometer weiter nördlich befand. Das nass-kalte Wetter und ein bisschen liegengebliebener Schnee passten auch sehr gut zur teaminternen Weihnachtsfeier, die noch am selben Abend anstand. Alle Spieler und deren Freundinnen versammelten sich am Abend im Gemeinschaftsraum des Apartmentkomplexes, der mit einer riesen Couchlandschaft, einer Videoleinwand, einem typisch amerikanischen Shuffleboard und einem Billiardtisch ausgestattet war. Viele der jüngeren  Spieler erschienen im Elfen- oder Weihnachtsmannkostüm, was natürlich für ordentlich Gelachter und gute Stimmung sorgte. Auch für gute Stimmung sorgte der Glühwein, den Lisa und ich am selben Tag noch vorbereitet hatten. Zu Beginn stieß das europäische Traditionsgetränk noch auf etwas Verwunderung, denn niemand kam hier jemals auf die Idee „Hot Red Wine“ zu trinken. Doch als die Europa-erfahrenen Spieler und Spielerfrauen sich um den anscheinend nicht so schlecht gelungenen Glühwein rissen, wurde der „Hot Red Wine“ schnell zum Party Hit.

Weihnachtsbeleuchtung in Amerika…

Nach unserem kurzen Abschalt-Samstag, ging es am Sonntag aber wieder in den Ernst des Profi Lebens zurück und wir hatten eine frühmorgendliche Spinningeinheit und ein kurzes Eistraining. Abends fuhr ich mit Lisa durch die Nachbarschaft und wir kürten gemeinsam das Haus mit der spektakulärsten Weihnachtsbeleuchtung. Es war die perfekte Einstimmung für unseren New York Trip, den wir für die viertägige Weihnachtspause geplant hatten. Davor mussten wir aber noch ein paar „Divisional Games“ bestreiten, die für den Tabellenplatz und damit die Qualifikation fürs Playoff extrem wichtig waren. In unserer Northeastern Division kämpften sechs Teams um vier Playoff Tickets, wobei die ersten fünf Teams nach ca. 30 Spielen nur durch sechs Punkte voneinander getrennt waren. Einzig die Elmira Jackals hatten bereits zu diesem Zeitpunkt fast keine Chance mehr die Playoffs zu erreichen. Bei den Jackals hatte nach einem kompletten Fehlstart inzwischen der Co-Trainer das Zepter übernommen. Auch er war ein alter Bekannter aus der EBEL. Mike Duco kannte ich noch als Gegenspieler aus seiner Zeit bei Red Bull Salzburg und auch Elmiras neues Spielsystem kannte ich von dort.

Für das Dienstagsspiel in Glens Falls (NY) gegen die Adirondack Thunder, reisten wir bereits nach dem Training am Montag an. Diesmal wurde mir vom Coach wieder einmal ein gewisser „Yvan Cournoyer“ als Zimmerkollege zugeteilt. Yvan war eine alte franko-kanadische Eishockey Legende, die mit den Montreal Canadiens ganze 10 Stanley Cups gewann. Als ich, bei einem der ersten Roadtrips, den Umschlag mit den Zimmerkarten für „Iberer & Cournoyer“ in den Händen hielt, fragte ich Olivier Labelle, ob wir einen neuen Spieler unter Vertrag genommen hatten. Labby wusste immer über alle Neuigkeiten Bescheid, speziell was „Frenchies“ anbelangte, aber er lachte nur und meinte „He is a legend“ und dass ich ein Einzelzimmer hatte. Alle älteren Spieler genossen abwechselnd Yvan Cournoyer als imaginären Zimmerkollegen, was bei den vielen Roadtrips eine nette Abwechslung war.

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Nach einer Nacht im Hotel ging es zum Pregame Skate in das schon etwas in die Jahre gekommene Glens Falls Civic Center. In Upstate New York war es an diesem Dienstag wirklich bitter kalt und die Temperaturen fielen unter –20 Grad Celsius, auch in der Halle fühlte es sich nicht viel wärmer an. Beim Pregame Skate prellte der Stick in der Hand wie eine Eisenstange und einige Spieler jammerten über taube Zehen und Fingerspitzen. Als ich mich endlich zurück im Hotel schon etwas hingelegt hatte um vor dem Match noch etwas zu relaxen, klingelte plötzlich das Hoteltelefon. Es war der Trainer, der mir mitteilte, dass ich schnell meine Sachen packen sollte, da wir nach Hause fahren würden. Auf Grund der Kälte hatte sich das Hallendach so verzogen, dass die Gefahr für einen Einsturz zu groß war um ein Spiel dort auszutragen. Wir hatten also die Nacht umsonst im Hotel verbracht, nur um in einer vom Einsturz gefährdeten Halle ein 20-minütiges Training zu absolvieren. Dafür ging es zur Belohnung sechs Stunden lang zurück Richtung Reading, wo wir am folgenden Tag auf den nächsten Kontrahenten aus unserer Division trafen. Gegen die Manchester Monarchs konnten wir, trotz meines Tors und Assists auch diesmal nichts ausrichten und verloren Dank empty net Tor mit 2:4.

Um die Weihnachtspause wirklich genießen zu können, brauchten wir dringend am Freitag einen Heimsieg gegen die Adirondack Thunder. Jedoch stand das Spiel unter keinen guten Vorzeichen. Nach dem Spiel gegen Manchester erhielt, nachdem schon einer unserer beiden Torhüter zum AHL Team berufen wurde, auch mein Kumpel Mark Dekanich einen „Call Up“. Nun hatten wir nur noch einen Torhüter im Kader, den wir zur Sicherheit aus der SPHL (Southern Professional Hockey League) als Back Up verpflichtet hatten. Er machte im Training eine gute Figur, aber trotzdem hatten wir für das Spiel am Freitag keinen zweiten Torhüter im Kader. Diese Situation kam in der ECHL öfter vor, denn sobald in der NHL oder der AHL jemand auch nur angeschlagen war, rückten sofort Spieler nach „oben“ nach um sicher zu gehen, dass die Teams mit der besten Aufstellung antreten konnten. Es kam nicht selten vor, dass einer unserer Goalies am Vormittag noch bei uns trainierte und am Abend in der AHL spielte oder zumindest dort auf der Bank saß. Für solche Situationen gab es den sogenannten „Emergency Back Up Goaltender“ oder kurz EBUG. Ein Betreuer der Carolina Hurricanes kam heuer sogar als EBUG zu einem sieben Sekunden Kurzeinsatz in einem NHL Spiel. Bei uns kam Freddy Cassivi, ein Freund von Head Coach Courville als EBUG zum Einsatz. Der 41-jährige ehemalige NHL‘er und ehemalige Vienna Capital war zwar beim Vormittagstraining noch etwas „rostig“ aber ganz verlernt hatte er sein Geschäft doch nicht. Nach dem Training konnte ich mich mit Freddy noch etwas über seine Zeit in Wien plaudern. Viel Zeit dafür blieb aber nicht, denn er musste zwischen Training und Spiel ja noch schnell in seinen richtigen Job zurückkehren.

Ein bekannter Teamkollege

Da das Spiel in Glens Falls ja abgesagt wurde, war es das erste Aufeinandertreffen mit einem weiteren Ex Capital. Peter MacArthur war Kapitän der Adirondack Thunder und ich verstand mich als wir beide bei den Caps waren sehr gut mit ihm. Bei einem kurzen Tratsch im Kabinentrakt hatte ich die Chance mich bei ihm persönlich zu bedanken, denn er hatte mir bei meinem Coach in Reading, als der sich im Sommer bei ihm über mich informiert hatte, ein gutes Zeugnis ausgestellt. Die Royals verabschiedeten sich an diesem Abend, Dank einer Top Leistung des SPHL „Back Ups“, vor knapp 3.800 Zusehern mit einem 5:2 Heimsieg in die Weihnachtspause.

Pic: Tom Boland Photography (Reading Royals)

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